BUCHPRÄSENTATION

Angelika B. Hirsch

Quer - Eine west-ost-deutsche Wanderreportage

mit Fotos und Kurztexten von Lothar Köster; mit farbiger Reise-Karte, 235 Seiten

30. 07. 2012 VVPN 00001023  

DRUCK   mit Fotos und Kurztexten von Lothar Köster; mit farbiger Reise-Karte, 235 Seiten

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Autor-Info:

Dr, Angelika B. Hirsch, Berlin hirsch@grenzgaenge.de

Lothar Köster, Berlin

 

Zusammenfassung

Leseprobe

ZUM INHALT

Über das Buch
Aus Anlass des 50. Jahrestages des Mauerbaus laufen zwei Menschen zu Fuß quer durch Deutschland, rund 900 Kilometer von Essen nach Anklam, und kommen dabei der Geschichte auf die Spur - ihrer eigenen und der Norddeutschlands. Es ist eine Reise, die quer zu allen Regionen und geologischen Strukturen verläuft, quer zu Gewohnheiten und Denkrichtungen.
Am Ende ist auch in den Köpfen der beiden vieles quer gebürstet und ein neues Bild des eigenen Landes entstanden. Mittel der Erkenntnis waren zuerst die Füße, dann Augen, Ohren, Intuition, Gespräche im Vorübergehen, Zufälle ...

Über die Autoren

Angelika Benedicta Hirsch,
geboren 1955 in Anklam und in einem Pfarrhaus aufgewachsen. 1974 Fluchtversuch, Verurteilung und zehn Monate Haft. 1987-1992 Benediktinerin. 1992-1998 Studium (Judaistik und Religionswissenschaft) und Promotion in Westberlin.
Heute arbeitet sie in der Erwachsenenbildung, als Beraterin und Autorin.

Lothar Köster,
geboren 1957 in Essen und dort aufgewachsen. Nach geisteswissenschaftlich-musischem Studium in Hannover und Hildesheim ab 1990 an der TU-Berlin in der theoretischen Sprach- und Kognitionsforschung promoviert.
Tätig u.a. als Chorleiter, Programmierer, IT-Dozent und Verleger in der internet-basierten Direktpublikation.

LESEPROBE

Vorspiel im Jenseits:

Die Idee, von Essen nach Anklam zu laufen, fiel uns im Mai 2010 auf einer Wanderung im Berliner Umland jäh vom Himmel in Hirn und Herz. In der folgenden Nacht träumte mir dieses:

DDR-Zeiten. Ich bin auf einem Kreuzfahrtschiff und die Reise soll gerade beginnen, da treffen als Letzte und für alle völlig überraschend Walter und Lotte Ulbricht ein. Beide sind quietschvergnügt. Sie fragen, ob Plätze frei sind - es gibt genau noch zwei. Walter ist ein kleines Männchen und sitzt im Rollstuhl, er hat nur noch ein Bein. Beide kommen an Bord. Eine Stewardess am Eingang prüft, ob es auch Essensportionen für die zusätzlichen Gäste gibt. (Es herrscht eine typische DDR-Atmosphäre, alles ist genau zu- und eingeteilt.) Sie rechnet nach und sagt laut: "Es ist gerade noch Essen für drei Füße da." Walter juchzt laut und haut sich vor Vergnügen auf seinen einen Schenkel.
Alle gehen ins Schiff hinein, Walter und Lotte und auch all meine Freunde und Verwandte. Die allerdings verdrücken sich. Ich bin mit Lotte alleine und fühle mich verpflichtet, bei ihr zu bleiben, obwohl ich keine Lust dazu habe. Lotte redet wie ein Wasserfall. Äußerlich ist sie eine Mischung aus Queen und prolliger Neuköllnerin. Präsent-20-Stoffe maßgeschneidert, so was. Ich bin hin- und hergerissen zwischen Langeweile und Mitgefühl. Sie jammert über ihre Einsamkeit. Ich sage zu ihr: "Das sind eben die beiden Seiten, Sie schotten sich selbst ab und deshalb denken alle, Sie wollten nichts mit ihnen zu tun haben."
Lotte ist in Wirklichkeit nur eine einfache alte Frau. Sie beginnt jetzt, mir einen schweinischen Alte-Leute-Witz zu erzählen. Ich verstehe ihn zwar nicht, aber sie ist nach dem Gejammer vorher nun wieder mopsfidel. Wir schauen hinaus, ich will lieber die Umgebung sehen, als mich mit Lotte zu beschäftigen. Wir sind in einem engen Kanal. Auf dem Wasser schwimmen eine Menge Gänse, die mich interessieren. Ich weise Lotte darauf hin - sie quasselt unaufhörlich weiter, sichtlich froh, jemanden gefunden zu haben, der ihr sein Ohr leiht. Dann weitet sich die Landschaft. Wir schauen auf qualmende Schornsteine, auf eine Art Leuna-Kulisse. Meine Freunde und Verwandten kommen endlich wieder. Rocco (einer unserer Freunde aus dem Ruhrpott) sagt locker und flapsig zu Lotte: "Na, dafür müssen wir euch ja jetzt noch dankbar sein, dass ihr Kohle aus Köln verfeuert habt, da habt ihr schon damals was für die Wiedervereinigung getan." Ich erschrecke, weil mir das eine Spur zu frech vorkommt und ich nicht weiß, wie Ulbrichts diese Art von kumpelhaftem Schulterklopfen aufnehmen werden. Aber sie lachen, sind entspannt und genießen unsere Gesellschaft. Ich dehne mich und bin glücklich.

Was sind das für schlappe, lächerliche Gestalten, die in meinem Traum Vater- und Mutter-Staat verkörpern? Mehr also ist nicht übrig von denen, die maßgeblich das System formten, das mich hinter Gitter gebracht hat, nur weil ich ihm entkommen wollte? Dieses mickrige Männchen hat einmal Furcht und Schrecken verbreitet? Warum nehme ich die beiden mit "an Bord", mit auf meine Reise? Walter und Lotte Ulbricht gehören wohl oder übel zu meinem Leben, wie Verwandte, die ich mir nicht ausgesucht habe. In ihren Machtbereich hinein bin ich geboren worden. Die ersten Jahre nach der Wende waren sie mir peinlich - als herauskam, wie beschränkt, kleinbürgerlich und machtgierig sie waren. Ich habe mich dafür geschämt, dass sie mich in ihrer Gewalt hatten und mir Angst gemacht haben. Heute ist der Kaiser nackt, ein Bild zum Lachen, auch zum Erbarmen. Leid ist dem Mitleid gewichen - welch eine merkwürdige Wendung der Geschichte! Lieber Rocco, hast du für die beiden nicht vielleicht noch ein paar kleine Frechheiten auf Lager?

Vorspiel im Diesseits:

Wer sich über eine unbekannte Strecke informieren möchte, verschafft sich heute gemeinhin erst einmal bei google maps einen Überblick. Dankenswerterweise gibt es die Option, sich auch als Fußgänger eine Route vorschlagen zu lassen.
Flugs getan ist halb gewonnen:
Start Essen - Ziel Anklam, noch ein paar Zwischenstationen auf einer halbwegs akzeptablen Linie eingegeben (Warburg, Hofgeismar, Ilsenburg, Haldensleben, Wittstock, Neubrandenburg) - und das Ergebnis staunend zur Kenntnis genommen:
"Der Routenplaner für Fußgänger ist noch im Beta-Stadium.
Seien Sie vorsichtig! - Auf dieser Route gibt es möglicherweise keine Bürgersteige oder Fußwege.
683 km, 5 Tage, 20 Stunden".

Na, denn man tau! Kann so schlimm nicht sein. Wagen wir uns also an das Abenteuer ohne Bürgersteige.

 


 

 

 

 

 

 

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